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Konzeptionelle Aspekte systemdynamischer Modellbildung im naturwissenschaftlichen Unterricht

Horst Schecker


 
1. Einführung

Die konzeptionellen Überlegungen und empirischen Ergebnisse, über die in diesem Beitrag berichtet wird, basieren auf langjährigen Entwicklungsarbeiten, Unterrichtserprobungen und wissenschaftlichen Begleituntersuchungen zum Einsatz von Modellbildungssystemen im naturwissenschaftlichen Unterricht der gymnasialen Oberstufe, vorwiegend im Fach Physik. Die Untersuchungen wurden von der Universität Bremen in zwei Modellversuchen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) durchgeführt.

In Veröffentlichungen zum Thema "Modellbildung und Simulation dynamischer Systeme" (z.B. Ossimitz 1990, Walser 1991, Webb 1993) treten fachspezifische Aspekte der Modellbildung oft hinter systemdynamischen Aspekten zurück. In den eigenen Studien stehen dagegen die physikdidaktischen Implikationen der Nutzung von Modellbildungssystemen im Vordergrund (Schecker 1993, Schecker 1994). Zur Einordnung der vorgestellten Ergebnisse soll die fachdidaktische Perspektive, unter der die Arbeiten erfolgten, durch folgende Merkmale gekennzeichnet werden:

  • Ziel des Einsatzes war die Unterstützung der Schüler beim Aufbau physikalischer Kompetenz, verstanden als Fähigkeit zur qualitativen und halb-quantitativen begrifflichen Strukturierung von Sachverhalten.
  • Die dem Modellbildungssystem (Stella, Modus) zugrundeliegende systemdynamische Formalisierung (Zustands- und Ratenbegriff usw.) wurde unmittelbar an physikalischen Anwendungen aus dem Kurszusammenhang eingeführt. Es erfolgte keine Behandlung der Systemdynamik als fachübergreifende Theorie.
  • Modellbildungssysteme dienten als Mittel zum Zweck. Im Vergleich zu Simulationsprogrammen oder Tabellenkalkulationsprogrammen wurden von ihnen besondere Möglichkeiten zur Erreichung einiger übergeordneter fachdidaktischer Ziele erwartet (vgl. Niedderer 1991, Bd. I, 14ff.):
  • Hervorhebung der grundlegenden begrifflichen Strukturen physikalischer Theorien (im Kontrast zu mathematischen Kalkülen, bei denen es vorrangig um die Lösung von Gleichungssystemen geht),
  • stärkere Einbeziehung komplexer Phänomene aus Natur und Technik in den (Physik-) Unterricht,
  • Schaffung besserer Möglichkeiten für Schüler, eigene Fragestellungen im Unterricht zu verfolgen und eigene Lösungsansätze zu erproben.

Das Augenmerk der Untersuchungen lag dementsprechend auf der Fähigkeit der Schüler zur Modellierung fachspezifischer Fragestellungen und auf Transferleistungen innerhalb eines physikalischen Sachgebietes bzw. zwischen Sachgebieten des Faches Physik. Fachüberschreitende Fähigkeiten zur systemischen Beschreibung von Sachverhalten oder zu deren systemdynamisch formalisierter Modellierung wurden nicht untersucht. Im Verlauf der Studien ergaben sich jedoch Anlässe, übergreifende Theorieelemente der Systemdynamik in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen.

Im vorliegenden Beitrag werden Unterschiede im Anwendungsspektrum von Modellbildungssystemen in den naturwissenschaftlichen Fächern und ihrer fachspezifischen Beiträge zum "Verstehen" von Sachverhalten herausgearbeitet. Es werden Kriterien vorgeschlagen, an denen die inhaltlich/fachbezogene und die unterrichtsmethodische Angemessenheit systemdynamischer Modellbildung gemessen werden können.

An Beispielen aus den Langzeit-Unterrichtsfallstudien wird erörtert, inwieweit Spezifika der verwendeten Software (Stella, Modus) und die Gestaltung der Lernumgebung den Verlauf der Arbeitsprozesse und die Ergebnisse der eigenständigen Modellbildung beeinflusst haben. Ein Kritikpunkt liegt darin, dass die Möglichkeiten der Schüler zum "Experimentieren mit Ideen" bei der Modellierung durch Zwänge der systemdynamischen Formalisierung eingeengt werden.


© 1997 DIFF Updated: Mai, 1997