Phase 10: Reflexion über Fehlerquellen und die mit solchen
Computer-Simulationen verbundenen Chancen und Gefahren
Aufgabe 15:
Welche Fehlerquellen bergen Modellbildungsprozesse und
(Computer-)Simulationen wie die im Verlauf dieser Unterrichtseinheit
durchgeführten?
Welche Chancen und welche Gefahren sind mit ihnen verbunden?
Intendierte Lösung zur Aufgabe 15:
Bei der Modellbildung und Simulation muß man sich grundsätzlich
mit folgenden vier Fehlerquellen auseinandersetzen:
-
Vereinfachungsfehler bei der Bildung eines quantitativen Modells.
Sie resultieren aus der Notwendigkeit der Reduktion der komplexen Wirklichkeit
auf ein überschaubares System, aus der Abstraktion von den im System
vorhandenen Zustandsgrößen und Wirkungszusammenhängen auf
idealisierte Modellgrößen und ihre mathematisch oft zu ungenauen,
mitunter gar rein spekulativen Formeln zur Beschreibung der zugehörigen
Wechselwirkungen.
-
Verfahrensfehler bei der Auswahl und Anwendung eines (i.d.R. zwangsweise
ungenauen) Rechenverfahrens.
Sie resultieren aus der unangenehmen Situation, daß es für die
im Modell auftauchenden Differentialgleichungen in aller Regel keine
geschlossenen und exakten Lösungsverfahren gibt, sondern mit numerischen
Näherungsverfahren gearbeitet werden muß.
Das in diesem Unterrichtsprojekt benutzte Programm DYNASYS stellt hier zwei
Verfahren zur Verfügung: das (einfache) Euler-Cauchy-Verfahren und das
Runge-Kutta-Verfahren (4.Ordnung).
Worin diese Verfahrensfehler bestehen, erläutert der Zweite Mathematische
Exkurs "Mathematische Verfahren zur Ermittlung von
Prognosewerten" insbesondere zum Euler-Cauchy-Verfahren in einer Form,
wie sie vielleicht auch von Schülerinnen und Schülern der Sek.I
(ab Jahrgangsstufe 8) zumindest in Ansätzen verstanden werden kann.
Falls die das Projekt leitenden Biologie-Lehrerinnen und -Lehrer nicht selbst
über entsprechende mathematische Kenntnisse verfügen, ergibt sich
bei der Thematisierung solcher Verfahrensfehler an dieser Stelle die
Notwendigkeit, im Sinne eines fächerübergreifenden Projekt-Unterrichts
auf Hilfestellungen der in der Klasse unterrichtenden Mathematik-Lehrerinnen
und -Lehrer zurückzugreifen.
-
Rechenfehler, da Computer aufgrund ihrer zwangsweise endlichen
Speicherkapazität nur mit endlich vielen Stellen rechnen können,
also zum Runden gezwungen sind. Dabei können sich die evtl. auftretenden
Rundungsfehler, ohne daß man dies hinreichend kontrollieren könnte,
sowohl gegenseitig verstärken als auch gegenseitig vermindern.
-
Interpretationsfehler beim Schließen vom errechneten
zukünftigen Modellzustand auf den realen zukünftigen Systemzustand,
denn hier kann es sich aufgrund des Zusammenwirkens der o.g. Fehler - die
sich gegenseitig vermindern, aber auch potenzieren können - in der Regel
allenfalls um eine "spekulative Vorhersage" handeln.
Die folgende Graphik zeigt die Situation noch einmal im Überblick:
Fehlerquellen im Zusammenhang mit Modellbildung und Simulation
Chancen von Modellbildungsprozessen und Simulationen
bestehen bei
-
Beschreibungsmodellen in der Möglichkeit, Abläufe innerhalb
eines Systems zu veranschaulichen.
-
Erklärungsmodellen in der Möglichkeit, Abläufe innerhalb
eines Systems faßbar und begründbar zu machen.
-
Entscheidungsmodellen in der Möglichkeit, potentielle
zukünftige Systementwicklungen vorherzusagen und so Grundlagen für
heute notwendige Entscheidungen zu erhalten.
Die folgende Graphik zeigt die Situation noch einmal im Überblick:
Bei den Modellen und Simulationen dieses Unterrichtsprojektes bietet sich
- je nach Sichtweise - die Thematisierung aller drei Dimensionen an, wobei
das Schwergewicht wohl auf den mit Entscheidungsmodellen verbundenen
Möglichkeiten liegen wird.
Gefahren von Modellbildungsprozessen
-
Modelle ohne Rücksicht auf die beim Modellbildungsprozeß begangenen
Fehler (s.o.) mit der Realität gleichzusetzen
-
Simulationsergebnisse als zukünftige Realität statt als evtl. sehr
fehlerhafte Rechenergebnisse anzusehen.
-
eine in diesem Sinne falsche Computer-Gläubigkeit, die sachgerechte
Beurteilungen und Entscheidungen eher gefährden kann, statt sie zu
unterstützen.
Modellbildungsprozesse und Simulationsergebnisse haben keine Beweiskraft,
sondern allenfalls eine gewisse Plausibilität, deren Stärke durch
möglichst unvoreingenommene und sorgfältige Fehlerabschätzungen
geprüft werden muß. Dabei sollte nach Möglichkeit auch das
Ausmaß der Unsicherheit offengelegt werden!
© Helmut Kohorst & Philipp Portscheller
01.08.1996
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