Pflanzen schlucken unser CO2?
Modellbildung und Simulation des
Kohlenstoffkreislaufes


Kontext

  Das Problem  

Basisinformationen durch das Max-Planck-Institut
(Broschüre auch als Klassensatz) pdf

 

IPCC-aktuell auf dem Hamburger Bildungsserver durch Dr. Dieter Kasang

 

Dass zu viel Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre gelange, steht fast täglich auf der Tagesordnung der ökologischen Diskussion. Aber auch hier gibt es offensichtlich Gelassene. Das Gas sei im Unterschied zu vielen echten Schadstoffen wie die FCKW ein anerkannter Pflanzendünger und keineswegs im Überschuss in der Luft. Zufuhr von Kohlenstoffdioxid, in vielen Gewächshäusern als natürlicher Wachstumsförderer eingesetzt, führe nur dazu, dass die Pflanzen auf der Welt besser wüchsen und das zusätzliche Angebot rasch verbrauchten. Wozu also die Aufregung? 

Dieses Problem motiviert als Leitfrage die Modellierung und Simulation des Kohlenstoffkreislaufes. Sie fügt sie sich in einen Ökologiekurs der Oberstufe und behandelt Wachstum (exponentiell, durch Ressourcen limitiert) und  Fließgleichgleichgewichte. Schnittstellen zur "Rolle des Ozeans" im Chemieunterricht (Carbonatgleichgewicht) und zur "Klimadiskussion" in der Physik (Strahlung) sind ebenso denkbar wie Verknüpfungen mit dem Fach Sozialwissenschaften, wenn es um ökologische Steuerungsmodelle wie den Ökoaudit oder das Kyotoprotokoll geht.

Das Konzept der Unterrichtsskizze legt Wert darauf, dass Schülerinnen und Schüler viele Modellierungsschritte einschließlich einer Parametrisierung selbst vornehmen. Der vielfach gewählte Weg, vor allem das Verhalten relativ aufwändiger und schon vorgegebener Modelle zu testen, also Sensitivitätsanalysen durchzuführen, ist häufig nicht sonderlich befriedigend, weil die Modelle gedanklich eine "Black Box" bleiben. Das führt zu einem zu geringen Verständnis der basalen Mechanismen der Systemdynamik.

 

Linkliste 

 

Amerikanische CO2-Fans: Der Autofahrer als Pflanzenfreund!

 


Orientierung im komplexen Feld Erweitertes Basismodell
Lineares Basismodell Modell mit Ozean
Rückgekoppeltes Basismodell 
 

Material

Orientierung im komplexen Feld Ziele

Ergänzend:

Kohlenstoffdioxid und Pflanzenwachstum in der Wissenschaftt (pdf-Datei)
(Uni Hohenheim)

 

In der Regel kennen Schülerinnen und Schüler der Oberstufe Teilaspekte des Kohlenstoffkreislaufes, besitzen unterschiedliches und anschlussfähiges Wissen, und zwar aus außerschulischen Bildungsmedien ebenso wie aus unterschiedlichen Fächern wie Geographie, Chemie, Politik oder Religion. Schulbücher und die o.a. Internetadressen bieten Basisinformationen und reichen aus, wenn man sie um Hinweise auf das Liebigsche Minimumgesetz und die Wirkungen von Kohlenstoffdioxid auf das Pflanzenwachstum gezielt ergänzt. 

Im Resultat können Schülerinnen und Schüler ein Mindmap zum Kohlenstoffkreislauf  erstellen, in das schon die zur Leitfrage zugeordneten Variablen (Raum, Düngungseffekte, Minimumfaktoren, Änderung der Zusammensetzung der Vegetation usw.) spekulativ integriert sind. Gemessen an der Variablenvielfalt ist ein solches Mindmap, in dem erfahrungsgemäß häufig auch Hypothesen über technische und politische Entwicklungen integriert sind, der vergleichsweise umfassendste Ansatz innerhalb der Diskussion. 

Wie kommt man aber nun zu quantitativen Aussagen und handfesten Prognosen, mit der man die o.a. Leitfrage bearbeiten kann?

Überblickswissen, Wahrnehmung der Problemvielfalt

Material Lineares Basismodell Ziele
   Lineares Basismodell "Vorindustrialisierung"  

Arbeitsblatt 1:
Basismodell Vorindustrialisierung

 

 

Modell 1: Lineares Basismodell "Vorindustrialisierung"

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kann man - etwas vereinfacht - davon ausgehen, dass sich die zentralen Kohlenstoffreservoirs Vegetation, Boden, Atmosphäre und Ozean in einem dynamischen Gleichgewicht befunden haben, weil sich über 1000 Jahre der Kohlenstoffdioxidgehalt kaum geändert hat. Die Nutzung eines Modells der Vorindustrialisierung hat den Vorteil, dass man die nachfolgenden Entwicklungen als empirischen Test des Modells begreifen kann.

Vorteil eines linearen Modells ist seine Überschaubarkeit und die Tatsache, dass noch nicht mit mathematischen Formeln bei den "Flüssen " gearbeitet werden muss. Dazu können Schülerinnen und Schüler das "Handling" einer Modellbildungssoftware an einem linearen Modell einfacher erlernen und erkennen die gängigen Darstellungen des Zyklus in der speziellen Forrester-Symbolik wieder.

Im Resultat kann hier ein ganz elementares Modell erarbeitet werden, das sich - ausgehend von der Leitfrage - auf die Vegetation, die Atmosphäre und den Ozean beschränkt. Die Bodenatmung wird mit dem Argument vernachlässigt, dass sie letztlich direkt von der Photosynthese abhinge.

Einfache Modellbildung und einfacher Umfang mit Dynasys

 

 

Material Lineares Basismodell "Industrialisierungsfolgen" Ziele

Arbeitsblatt 2:
Basismodell "Industrialisierungs-
folgen"

 

 

Modell 2: Lineares Basismodell "Industrialisierungs-
folgen"

Schülerinnen und Schüler können das Vorindustrialisierungsmodell um die Folgen der Industrialisierung erweitern. Wesentlich sind dabei die anthropogenen Emissionen, die aus drei Quellen stammen:
  • Eine Entwaldung durch Brandrodung verringert die Vegetation und reichert die Atmosphäre mit CO2 an (landuse change).
  • Die Rodung von Wäldern führt zusätzlich CO2 aus den oberen Bodenschichten zu (landuse changing).
  • Der größte Anteil der Emissionen ist auf die Verbrennung fossiler Energien zurück zu führen.

Die entsprechenden Datensätze stehen den Schülerinnen und Schülerin als Tabellen zur Verfügung, das gilt ebenso für die Entwicklung der  CO2-Konezntration in der Atmosphäre (1850-2001), die als empirische Referenz gilt. Die Datensätze lassen sich in das Modell als Tabellenfunktion importieren.

Was leistet nun das Basismodel "Industrialisierungsfolgen"?

  • Man stellt fest, dass der grundsätzliche Verlauf der Entwicklung der  CO2-Konzentration im Modell mit den Messungen gut übereinstimmt, aber insgesamt zu hoch ist.
  • Es fehlen die bekannten Kohlenstoffsenken "Ozean" und "Vegetation". Es gibt zu diesen Zustandsgrößen keine Rückkoppelungen.
  • Für die o.a. Leitfrage, ob die Vegetation nicht das CO2 schlucke,  kann es wegen der fehlenden Rückkoppelungen  keine sinnvolle Aussage geben.

Wie sieht ein verfeinertes, nämlich rückgekoppeltes Modell aus?

Modellergänzung und erster empirischer Test mit Beurteilung des Modells

Material

Rückgekoppeltes Basismodell

Ziele

  Rückgekoppeltes Basismodell "Vorindustrialisierung"  

Arbeitsblatt 3:
Rückgekoppeltes Basismodell "Vorindustrialisierung"

 

 

 

 

Modell 3: Rückgekoppeltes Basismodell "Vorindustrialisierung"

Die Schülerinnen und Schüler haben die Aufgabe, das lineare Basismodel "Vorindustrialisierung" in ein rückgekoppeltes zu überführen, und zwar für die beiden Zustandsgrößen "Atmosphäre" und "Vegetation" - am "Ozean" wird nichts verändert, ein gedanklich recht aufwändiger Schritt:
  • Die Flüsse (Photosynthese) und Atmung müssen mit mathematischen Formeln versehen werden, die zu begründen sind.
  • Konstruktion und Effekt einer Tabellenfunktion, nämlich die Wirkung der CO2-Konzentration auf die Photosynthese, will verstanden sein.
  • Das Systemverhalten "Fließgleichgewicht" angemessen auf die relevanten Modellparameter zurückgeführt werden.

Um das Verhalten des Modells zu erfassen, empfiehlt es sich zunächst, ohne Parameteränderungen einen Simulationslauf durchzuführen. Das Modell ist dann gemäß der Vorgaben richtig konstruiert, wenn alle Zustandsgrößen konstant bleiben. Dann kann zum Beispiel der Gehalt der Atmosphäre verdoppelt werden: Es stellt sich nach kurzer Zeit wieder ein Fließgleichgewicht zwischen der "Atmosphäre" und der "Vegetation" ein, weil die "Atmosphäre" über die CO2-Wirkung auf die Photosynthese mit der Vegetation  negativ rückgekoppelt ist. 

Wechselwirkungen und Fließgleichgewicht

Material Rückgekoppeltes Basismodell "Industrialisierungsfolgen" Ziele

Arbeitsblatt 4:
Basismodell "Industrialisierungs-
folgen"

 

 

Modell 4: Rückgekoppeltes Basismodell "Industrialisierungs-
folgen"

Schülerinnen und Schüler können auch dieses Modell wie das lineare Basismodell um die Industrialisierungsfolgen  erweitern und zunächst vermuten, wie die Simulation verlaufen wird. Möglich ist dabei die Hypothese, dass - bedingt durch die nunmehr eingebaute Rückkoppelung - die Vegetation CO2 aufnehme, also insgesamt die atmosphärische Anreicherung mit CO2 geringer sei als beim linearen Modell. Ggf. könnten die Werte noch oberhalb der realen Werte liegen, weil der Ozean hier nicht als Senke funktioniere.

Der Simulationslauf zeigt, dass die Hypothese so nicht richtig ist. Der atmosphärische Gehalt an CO2 steigt nur geringfügig an, die realen Werte sind viel höher! Lassen die Schülerinnen und Schüler die Simulation über beispielsweise noch weitere 100 Jahre laufen - die anthropogenen Einflüsse werden dann einfach fortgeschrieben, dann sinkt der CO2-Gehalt sogar etwas und bleibt dann nahezu konstant. 

Schülerinnen und Schüler können herausfinden, wie es zu diesem Modellverhalten kommt und wo damit die Schwachstelle dieses Modells liegt.

  • Die Entwicklung der Werte für "Vegetation" zeigen einen rasches und starkes Wachstum. Das Wachstum der Vegetation kompensiert die CO2-Zufuhr. 
  • Das Vegetationswachstum ist im Modell exponentiell konstruiert. Damit ist der limitierende Faktor des Vegetationswachstums allein das CO2, das jeweils vollständig "verbraucht" wird.
  • Ein unbegrenztes  Vegetationswachstum ist aber unrealistisches. Der Platz ist auf der Erde endlich und auch Bäume wachsen nicht in den Himmel. 

Wie sieht ein um diesen Fehler bereinigtes und insofern verfeinertes Modell aus?

Wechselwirkungen und Fließgleichgewicht, zweiter empirischer Test und Beurteilung des Modells

Material

Erweitertes Basismodell "Industrialisierungsfolgen"

Ziele

Arbeitsblatt 5:
Erweitertes Basismodell "Industrialisierungs-
folgen"

 

 

 

 

Modell 5: Erweitertes Basismodell "Industrialisierungs-
folgen"

Die im Modell implementierte Zustandgröße "Vegetation" soll eine Begrenzung erfahren. Empfehlenswert ist es, diese Wachstumsbegrenzung  über eine für Schülerinnen und Schüler durchsichtige Tabellenfunktion zu organisieren, nicht über ein logistisches Wachstumsmodell; denn auch dieses Modell sollten sich ohne anthropogene Einflüsse die Gleichgewichtsbedingungen der Vorindustrialisierung transparent konstruieren lassen, und das bei unterschiedlichen Obergrenzen der Zuflussgröße "Vegetation".

Was aber ist die Obergrenze der "Vegetation" auf der Erde?

Schülerinnen und Schüler können an dieser Stelle eine interessante Entdeckung machen. Wissenschaftliche Aussagen für die Grenzkapazität der Vegetation gibt es nicht global. Dazu fällt auf, dass allein die Frage nach dem Umfang der bestehenden Vegetation recht unterschiedlich eingeschätzt wird: 445 Gt, 500 Gt, 560 Gt, 664 Gt.  Schülerinnen und Schüler stehen vor einem Problem, dass auch Entscheidungsträger haben: Die Datenlage ist ungewiss, und dennoch sollte eine Entscheidung getroffen werden? "Ist die Zufuhr von CO2 tatsächlich problematisch?" Am einfachsten ist es, sich  einer optimistischen Variante einer vergleichsweise hohen Grenzkapazität (beispielsweise 700 Gt) zuzuwenden. (Eine niedrige Grenzkapazität führt zu dem Problem, dass über die Simulationszeit die Grenzkapazität nicht konstant war. Hier ist die Datenlage völlig unbefriedigend). Diese optimistische Variante gibt der Leitfrage einen gewissen Vorschuss.

Welche Erkenntnisse liefert dieses Modell für Schülerinnen und Schüler?

  • Man stellt fest, dass der Verlauf der Entwicklung der atmosphärischen CO2-Konzentration in diesem Modell schon recht gut entspricht, die Werte aber im Vergleich zu den empirischen Daten zum ausgehenden 20. Jahrhundert zu hoch sind.
  • Die relativ zu hohen Werte können auch hier auf den fehlenden Senkeneffekt "Ozean" zurückgeführt werden.
  • Eine prognostisch orientierte Fortschreibung der augenblicklichen CO2-Emission zeigt, dass die Vegetation keineswegs das CO2 vollständig schluckt. Solange die Vegetation auf der Erde noch zunimmt, wird auch noch netto CO2 entfernt. Danach reichert sich  das CO2 ungehindert in der Atmosphäre an. 
  • Die o.a. optimistische und als Leitfrage dienende These ist nur für einen kurzen Zeitraum haltbar.
Wechselwirkungen, Fließgleichgewicht, limitiertes Wachstum, empirischer Test und Beurteilung des Modells und Beurteilung einer Ausgangshypothese

 

 

Material

Modell mit Ozean

Ziele

Modell 6: Erweitertes Basismodell "Industrialisierungs-
folgen und Ozeanmodell"

 

Innerhalb des Unterrichtsganges diente der "Ozean" immer als eine Variable, die insbesondere die zu hohen Werte innerhalb dieses Modells erklären konnte. Die für Schülerinnen und Schüler transparente Modellierung und Simulation ist ein eigenständiges Unterrichtsthema (u.a. Carbonatgleichgewicht). Deshalb ist an dieser Stelle legitim, das eigene Modell zu Testzwecken um eines der  einfachen, aber ebenfalls rückgekoppelten Ozeanmodelle zu erweitern - durchaus als Black Box: Zu Beginn der Industrialisierung ist der Ozean keine Senke, augenblickliche Schätzungen gehen von ca. 2 Gt/a Senkeneffekt aus. Das Ozeanmodell geht - stark vereinfacht  - davon aus, dass der Senkeneffekt proportional zur Differenz zwischen vorindustrieller CO2-Konzentration und jeweiliger CO2-Konzentration in einem betreffenden Jahr ist, im übrigen ist das Fassungsvermögen des Ozeans unbegrenzt.  Schülerinnen und Schüler können nun sehen, ob und in welcher Weise das sich von ihnen konstruierte Modell mit dieser Erweiterung verbessert. Modellerweiterungen als Black Box, Wechselwirkungen, Fließgleichgewicht, limitiertes Wachstum, empirischer Test und Beurteilung des Modells