Unterrichtsinhalt
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Modellbildung - eine didaktische Herausforderung. Joachim Wedekind
4. Modellbildung als Unterrichtsinhalt
Die Skizzierung der Modellmethode sollte deutlich gemacht haben, warum die Modellbildung eine didaktische Herausforderung darstellt:
Wir setzen damit auf der Seite der Modellierer Mehrfaches voraus:
In jedem Fall gehört zur Modellbildung also eine intensive Sachanalyse, die Erhebung von Daten über das Realsystem und beständige Rechenschaft darüber, welche Aspekte schließlich im Modell berücksichtigt bzw. ausgeklammert werden. Die Arbeit mit Modellen, insbesondere der Prozess der Modellbildung, kann als Paradebeispiel eines Problemlöseprozesses angesehen werden. Wir sollten deshalb den Lernenden Gelegenheit geben, diesen Prozess selber aktiv zu vollziehen. Geeignete Werkzeuge sollen zur Initiierung und Intensivierung der notwendigen Denkoperationen beitragen und sie sollen durch das Angebot vielfältiger Bearbeitungsmöglichkeiten die Beweglichkeit des Denkens fördern. Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass eine effektive Nutzung dieser Möglichkeiten eine intensive Beratung voraussetzen (Wedekind, 1981; Mandinach, 1987; Hassel & Webb, 1988). Da aber die Modellentwicklung "einerseits ein schöpferischer Akt aus dem subjektiven Bereich der Wissenschaft, der Psychologik der Forschung, andererseits ein rationaler Akt der Anwendung aus dem objektiven Bereich der Wissenschaft, der Logik der Forschung" ist (Neugebauer, 1980), kann diese Beratung nur unter Berücksichtigung der denkpsychologischen und der inhaltlichen Voraussetzungen und Anforderungen erfolgen. Denkpsychologisch heuristische Aspekte und fachwissenschaftlich inhaltliche Aspekte stehen hierbei in einem sich wechselseitig ergänzenden Verhältnis. Für eine Didaktik der Modellmethode wäre eine Orientierung lediglich an der Fachstruktur nicht ausreichend, da dann den spezifischen Schwierigkeiten der Lernenden bei dem Prozess der Modellbildung und Modellanwendung nicht Rechnung getragen würde. Besondere Bedeutung - auch im schulischen Rahmen - hat die Klasse der mathematischen und formallogischen Modelle. Zur Behandlung dieser Modellklasse steht als besonders leistungsfähiges Werkzeug der Computer zur Verfügung. Mehrere Untersuchungen belegen, dass Computersimulationen zur unterrichtlichen Erschließung dieser Modellklasse geeignet sind (siehe z.B. Breuer, 1989). Sie dokumentieren andererseits deutlich typische Schwierigkeiten der Lernenden, sobald der Bereich klar definierter Problemstellungen für die Arbeit mit Modellen verlassen wird und für die Bewältigung offener Fragestellungen erhebliche Anforderungen an die Problemlösekapazität und das fachliche Können gestellt werden. Da die Modellanwendung nur ein Teilbereich der Modellmethode ist, verstärken sich diese Schwierigkeiten dann beim Durchlaufen des Gesamtprozesses (Problemformulierung, Modellkonstruktion, Validierung usw.) in starkem Maße. Es zeigt sich dann, dass die Vorteile, die Simulationsprogramme bieten, von den Programmbearbeitern nicht in optimaler Weise genutzt werden. Von zentraler Bedeutung ist beispielsweise die Beobachtung, dass die Lernenden die Vielfalt der Untersuchungsmöglichkeiten, die ein Simulationsprogramm bieten kann, bei weitem nicht ausschöpfen (Latzina, 1990). Ohne Anleitung durch einen Tutor oder durch Arbeitsmaterialien, also bei völlig selbständiger Arbeit, kann nur selten systematisches und umfassendes Vorgehen festgestellt werden. Die optimale Ausnutzung der Möglichkeiten ist umso wünschenswerter, als es sich bei der Modellbildung und Modellanalyse um typische Erkenntnisprozesse handelt. Sie spiegeln im Löngsschnitt das Vorgehen des Menschen bei Problemlösungen wider; die Grundphasen des allgemeinen Modells von Problemlösungsprozessen entsprechen der Grundstruktur des Modellbildungsprozesses (vgl. Hille, 1980). Auch im Querschnitt, d.h. in den einzelnen Phasen der Modellbildung, sind fortwährend Problemlösungen erforderlich. Im folgenden soll dargestellt werden, inwieweit für die Phase der Modellimplementation solche denkpsychologischen Aspekte Berücksichtigung finden können. Leitidee ist dabei die Repräsentation der Struktur von Modellen und die Implementation dieser Modelle als unmittelbare Umsetzung dieser Repräsentation am Computer. Wir beschränken uns dabei auf Modelle dynamischer Systeme, die durch Differentialgleichungen, Differenzengleichungen oder Iterationsgleichungen beschreibbar sind. Wir betrachten deshalb also solche Werkzeuge, die den Lernenden möglichst flexibel die Untersuchung vorgegebener Modelle erlauben, darüber hinaus und vor allem aber die Modelle zu modifizieren oder eigene Modelle zu implementieren. Solche Werkzeuge bezeichnen wir als Modellbildungssysteme oder Simulationsumgebungen.
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